Beitrag vom 08.08.2023, von Wiebke Semm
Das Interview mit dem Designerduo, bestehend aus Isabel Ahm und Signe Lund, wurde via Videocall geführt. Der Beitrag erschien erstmalig, zusammen mit weiteren spannenden Interior-Stories im aktuellen Visionary Magazin.
Hej ihr beiden. Schön euch zu sehen! Ihr seid frisch zurück von der Möbelmesse in Mailand. Wie war es?
Isabel: Mir ist aber aufgefallen, dass das Messegelände deutlich kleiner war. Ich hatte dadurch den Eindruck, dass es ein bisschen persönlicher war als sonst, da man automatisch mehr Leuten begegnet ist. Es fühlte sich also in gewisser Weise intimer an. Aber wir versuchen immer, uns nicht zu sehr inspirieren zu lassen.
Was meinst du damit?
Isabel: Wir wollen nicht davon beeinflusst werden, was andere Menschen tun, sondern unsere Inspirationsquellen woanders finden. Wenn sich alle am gleichen Ort inspirieren lassen, tun sie vielleicht auch ähnliche Dinge. Das wollen wir vermeiden.
Mögt ihr kurz erzählen, wie es überhaupt zu dem Designduo Ahm x Lund kam?
Isabel: Das war bei der Ausstellung Skud på Stammen im Jahr 2016. Die Ausstellung wurde von der Cabinet Maker School organisiert. Die Idee war, dass professionelle Designer:innen mit Tischlerschüler:innen zusammenkommen. Ich hatte meinen Stuhl „Thora“ mitgebracht, der dem „Thonet No.14“ nachempfunden war, und bei dem ich versuchte, die Anzahl der Elemente zu minimieren. Dann kam Signe zu mir, wir unterhielten uns, und es herrschte sofort eine gute Chemie. Sie stach zwischen den anderen „starken“ Jungs aus der Tischlerszene heraus und da dachte ich mir: Wow, die rockt! [Beide lachen]
Und wer hatte letztendlich die Idee, gemeinsam ein Designstudio zu gründen?
Signe: Das ist ganz natürlich passiert. Ich bin für etwa sechs Monate nach Südafrika gegangen, in dieser Zeit hatten wir eigentlich gar keinen Kontakt. Und als ich dann gerade an meiner Abschlussarbeit saß, dachte ich: Hey, die könnte ich doch mit Isabel zusammen machen (lacht). Und da habe ich sie kurzerhand angerufen.
Isabel: Ja, das war wirklich eine Überraschung. Ich hatte zu dieser Zeit gerade ein Stipendium bekommen und meine Designs verkauften sich bereits sehr gut. Ich war über den Vorschlag also ehrlich gesagt etwas verwundert, gleichzeitig begeisterte mich Signes direkte Art, also sagte ich zu.
Und es lief von Anfang an wirklich super. Wir sind nach wie vor elektrisiert und sprühen nur so vor Energie, fast wie zwei Rennpferde [lacht].
Signe, du hast als Tischlerin gearbeitet. Isabel, du kommst aus der Designbranche – Was meint ihr, sind eure wichtigsten Erfahrungen und Stärken, die in eure gemeinsame Arbeit einfließen?
Isabel: Das ist zum einen die Tatsache, dass Signe einen handwerklichen Hintergrund hat. Sie hat sehr geschickte Hände, einen klugen Kopf und versteht das Material auf eine andere Weise als ich. Bei meiner Arbeit geht es stark um die richtige Form, die perfekten Proportionen und auch darum, den Raum zu verstehen, wie die Menschen leben und wie wir uns einrichten.
Signe: Wir beide sind gut darin, gesellschaftliche Tendenzen zu beobachten. Und wir sind beide sehr daran interessiert, Verbindungen mit der Welt um uns herum herzustellen. Die Umwelt, Nachhaltigkeit, Politik und Gender sind Themen, die uns bewegen.
Auf eurer Website schreibt ihr, dass ihr eine „einladende Welt“ gestalten möchtet. Was genau meint ihr damit?
Signe: Bevor wir mit einer Arbeit zufrieden sind, müssen viele Kriterien erfüllt sein. Besonders wichtig ist uns dabei, Objekte zu schaffen, die anpassungsfähig sind. Unsere Welt verändert sich ständig, daher muss man Designs heutzutage immer ganzheitlich betrachten.
Worauf gilt es bei diesen anpassungsfähigen Designs insbesondere zu achten?
Signe: Das Material muss je nach Zweck und Bestimmung gut gewählt sein. Und es kommt natürlich auch auf die Form an. Diese soll im Idealfall dazu einladen, sich intensiver mit dem Design zu beschäftigen.
Isabel: Viele Designer:innen entwerfen nur für die Augen. Wir aber entwerfen für die Haut, für den Körper, aber auch für das Leben, für das Verhalten der Menschen. Wir versuchen, alles in einem zu machen. Meistens gelingt uns das, aber manchmal müssen auch wir noch dazulernen.
Eure erste gemeinsame Arbeit ist „Thora“ – eine Neuinterpretation des Thonet No. 14. Dieser gilt zwar als erstes Massenmöbelstück, ist aber besonders gut transportierfähig. Berücksichtigt ihr ein ressourcenschonendes Versenden ebenfalls bei euren Designs?
Isabel: Thora ist ein Teil meines Projekts mit dem Namen "Chair Upon Chair". Zu dieser Zeit machte ich zeitgenössische Neuinterpretationen aller möglichen Stuhltypen. Dabei war es mir wichtig, die Elemente der Stühle so weit wie möglich zu reduzieren. Und ich fand den Thonet No. 14 immer schon interessant, denn er besteht nur aus fünf Teilen, man kann ihn auseinandernehmen und platzsparend verschicken.
Signe: Das ist unserer meiner Meinung nach eines der größten Probleme, dass wir Luft um die Welt transportieren und viel zu viel Verpackungsmaterial haben. Wir achten bei unseren Designs also verstärkt darauf, möglichst wenig Platz einzunehmen.
Welches eurer Designs liegt euch besonders am Herzen?
Signe: Im Moment ist es definitiv die Monduhr. Das war ein großes Projekt für uns. Vor drei Jahren hatten wir die Überlegung, ein Werk zu schaffen, das mit dem Universum zu tun hat, und sich im Laufe des Tages verändert, ohne dass jemand damit interagiert. Es sollte etwas sein, das seinen eigenen Zyklen folgt.
Isabel: Das Schwierigste waren die Mondphasen, denn sind seit dem Mittelalter nicht mehr neu dargestellt worden. Es war nicht leicht, den langen Mondzyklus von 29,5 Tagen als gleichmäßige Bewegung auf die Uhr zu übertragen. Aber wir haben es geschafft! Das, was oben am Himmel passiert, passiert jetzt tatsächlich auch auf unserer Uhr.
Klingt nach echter Pionierarbeit. Was ist eure Inspirationsquelle?
Singe: Naturphänomene sind für uns generell sehr inspirierend und interessant. Aktuell beschäftigen wir uns zum Beispiel mit dem Phänomen Regenbogen. Wenn man im Sommer spazieren geht, es plötzlich regnet, es sich dann aufklärt und man diesen erstaunlichen Regenbogen sieht, das hat etwas Magisches.
Isabel: Ja, man kann sagen, wir lieben die Wissenschaft. Währen der Arbeiten zur Monduhr hatten wir einen Professor zu Gast, der mit uns über den Mond sprach. Und er hatte kleine Stücke des Mondes dabei. Er erzählte uns zum Beispiel, dass wir immer dieselbe Seite des Mondes sehen und, dass es auf der anderen Seite noch viel mehr Krater gibt.
Wie seht ihr das Zusammenspiel von Kunst und Design? Wo beginnt Design? Und wo endet die Kunst? Ist Kunst ein Teil von Design oder umgekehrt?
Isabel: Wir verfolgen in unserem Studio immer zwei Spuren – die künstlerische und die kommerzielle. Und beide sind gleich wichtig. Wir verwenden viel Zeit, Energie und Ressourcen auf die Kunstprojekte, weil wir dort oft die Inspiration für die kommerziellen Projekte finden. Dabei geht es immer um die Frage, was ist Kunst?
Signe: Die Kunst macht uns in gewisser Weise auch frei. Für mich ist es ein Weg, mich selbst zu erforschen. Es kann auch eine Idee sein oder der Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ich denke, das ist es, was die Kunst für uns tut. Sie gibt uns ein größeres Ziel vor.
Kunst und Design befruchten sich gegenseitig: Beides fügt sich gegenseitig einen zusätzlichen Wert zu.
Hat die Kunst eurer Meinung nach Grenzen im Designprozess?
Isabel: Meiner Meinung nach: auf jeden Fall. Viele Leute entwerfen Möbel, die gleichzeitig auch Kunst sein sollen, aber auf Grund ihrer Form oder Erscheinung nicht wirklich gebräuchlich sind. Für mich ist das dann eher eine Art Dekoration. Denn es wird sowohl dem Wort Kunst als auch dem Wort Design nicht gerecht. Ich denke, wenn man ein künstlerischeres Möbelstück macht, dann sollte es auch etwas Neues beitragen und nicht nur ein schöner Gegenstand sein, der gerade modern ist. Wenn du also nach Grenzen fragst, dann finde ich: ja, es sollte welche geben.
Vielen Dank ihr beiden für dieses ehrliche und inspirierende Gespräch!
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Photos: Nikolaj Thaning Rentzmann / Lars Just / Staffan Sundström
Beitrag vom 08.08.2023, von Wiebke Semm