Beitrag vom 10.10.2018, von Isabelle Diekmann
Alvar Aalto zählt zu den einflussreichsten Architekten und Designern des 20. Jahrhunderts. Mit seinen organischen Konzeptionen – die sich nicht nur in den von ihm entworfenen Wohnaccessoires, wie der Savoy Vase, sondern auch in einer Vielzahl seiner Möbel und Bauten, wie dem Paimio Sanatorium, wiederfinden – gelang Aalto zu Weltruhm. Wir haben uns selbst ein Bild vom Leben und Schaffen des 1976 verstorbenen Ausnahmetalents gemacht und uns in Finnland auf die Spuren von Alvar Aalto begeben.
Vor einigen Monaten wurden meine Kollegin Sabrina und ich von Artek nach Helsinki eingeladen. Neben einmaligen Einblicken in die Produktion, hatten wir Gelegenheit, das berühmte Aalto House – das ehemalige Wohnhaus der Familie Aalto – im Stadtteil Munkkiniemi sowie das Aalto Studio – das Atelier des Designers – zu besuchen. Wir zeigen Ihnen unsere persönlichen Highlights.
Schon auf dem Weg zum Aalto House beeindrucken die vielen spektakulären, einzigartigen Gebäude in dem vornehmen, vorstadtähnlichen Stadtteil Helsinkis. Angekommen an dem Wohnhaus von Alvar Aalto, stehen wir vor einem funktionalistischen, schlichten Kastenbau. Ein weißes Gemäuer mit nur einem schmalen Fenster und der Eingangstür. Geht man um die Fassade herum, wird das Gebäude dann immer eindrucksvoller.
Denn nach hinten eröffnet sich ein großer, wild bewachsener Garten. Die obere Etage ist aus Holz gefertigt und steht auf zwei Stützpfeilern, wodurch unten eine überdachte Terrasse und oben eine weitläufige Loggia entstehen. Zwei große, für Finnland eher untypische Fensterfronten, bestimmen das Bild der Fassade und lassen in das Wohnhaus blicken. Das Prinzip: Zur Nordseite – zur Straße hin – bleibt das Haus relativ verschlossen. Zum Garten hinaus – zur Südseite – öffnet es sich und lässt jede Menge Sonne herein. Wohn- und Außenbereich verschmelzen hier förmlich und kreieren eine einmalige Weite.
Alvar Aalto arbeitete bereits zehn Jahre als Architekt, bevor es ihm in der Innenstadt von Helsinki zu eng wurde und er 1937 das Haus für sich und seine Familie etwas außerhalb vom Stadtkern baute. Er wollte Wohnen und Arbeiten perfekt kombinieren und wünschte sich für seine Kinder ein Zuhause in der Natur. Alles war dabei bis ins kleinste Detail durchgeplant.
Betritt man das Haus, gelangt man durch einen kleinen Vorraum in den offenen Arbeitsbereich. Viel Tageslicht, große Tische, eine einladende Bibliothek weiter oben, der weite Blick in den Garten und eine offene Struktur sorgten für ideale Arbeitsbedingungen.
Nicht nur durch eine abnehmbare Stufe, sondern auch stilistisch strikt voneinander getrennt, gelangt man in den privaten Wohnbereich der Familie. Das einfallende Sonnenlicht sorgt für eine gemütliche, intime Stimmung. Hier wird – zum Beispiel durch die Vorhänge und großen Schwingtüren – der japanische Einfluss deutlich, zu dem Alvar Aalto durch seine Freundschaft mit einem japanischen Botschafter inspiriert wurde.
Welche Rolle seine erste Frau Aino Aalto bei der Gestaltung des Hauses und generell in der Architektur Alvars spielte, ist umstritten. Nach ihrem Tod heiratete er Elissa. Doch Ainos Schrank sowie ein großes Portrait von ihr auf dem Flügel blieben bestehen.
Oben in der ersten Etage wird es dann noch gemütlicher und privater. Ein großer, zentraler Raum mit Sofa, Sesseln und Kamin lädt die ganze Familie zum Verweilen ein und führt in die zum Sonnenaufgang gerichteten Schlafzimmer. Typisch für die Bauweise von Aalto: runde Türgriffe, an denen die Ärmel nicht hängenbleiben, sowie konkav geformte Dachfenster, die das Sonnenlicht reflektieren.
Unweit von seinem Wohnhaus liegt das Atelier von Aalto, in dem noch heute Architekten und Designer arbeiten. Das Studio wurde erst 1955 fertiggestellt und zählt damit zu den späteren seiner Bauten. Gemeinsam mit zwanzig Architekten arbeitete Aalto hier nach dem Zweiten Weltkrieg am Wiederaufbau Helsinkis.
Mit jedem Raum wird das Atelier eindrucksvoller. Von der recht bescheidenen Kantine im Erdgeschoss aus geht es eine Treppe rauf in einen – für die 50er Jahre völlig neuartigen – Open Workspace. Hier wurden die Fenster so gebaut, dass Licht von der Südseite einfällt und an den weißen, runden Außenmauern reflektiert wird, sodass es stets hell genug zum Arbeiten ist.
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Der Konferenzraum des Ateliers ist der einzige Raum mit Fenstern zur Straße. Diese sind abgedunkelt – das Gebäude kehrt der Straße den Rücken zu. Tageslicht wird durch Leuchten imitiert, die eine ganz private Atmosphäre schaffen. Weiter den Flur entlang kommt man zu einem großen Raum – Aaltos Büro – mit hohen Decken, dessen breite Fensterfront Einblick auf das Amphitheater im Innenhof gewährt. Das Amphitheater galt als soziales Zentrum, in dem man zusammenkam, um gemeinsam Projekt-Filme und Bilder auf der Außenwand des Gebäudes anzusehen. Bei schlechten Wetterverhältnissen ging das dann auch im Innern des Gebäudes.
Vom Balkon aus hatte Aalto einen guten Blick auf seine Modelle und konnte neue Lampenentwürfe testen. Wie in seinem Wohnhaus sorgt auch hier ein konkaves Dachfenster, dass Aalto auch als „Auge Gottes" bezeichnete, für ausreichend Tageslichteinfall.
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Beitrag vom 10.10.2018, von Isabelle Diekmann