Beitrag vom 23.07.2015
Vor kurzem schickte uns eine Kundin einen Link zu einem wahren Schnäppchen: ein Barcelona Hocker vom weltbekannten Ludwig Mies van der Rohe für nur 849 Euro! Über unseren Preis (3.070 Euro) war sie mehr als überrascht und erkundigte sich, wie das möglich sei. Beim Link der Kundin handelte es sich um ein Plagiat, bei unserem Produkt um das Original – genau genommen um eine lizenzierte Re-Edition des Designklassikers aus den 20er-Jahren. Wie ist das eigentlich mit den Fälschungen, Nachbauten und Originalen? Ich habe unseren Design-Experten Markus Abraham gefragt. Nun weiß ich: Original ist nicht gleich Original – und Fälschungen lassen sich schon vor dem Einkauf als solche enttarnen.
„Das, was man im allgemeinen Sprachgebrauch unter Original versteht, sind eigentlich lizenzierte Nachbauten oder Re-Editionen“, erklärt unser Teamleiter aus dem Sortimentsmanagement. „Ein Original wie bei einem Gemälde gibt es im Grunde nur einmal. Streng genommen wäre es im Produkt-Design das erste Produkt oder ein Prototyp, das auf Basis eines Entwurfs entsteht. Falls es das überhaupt gibt, steht es vielleicht im Museum oder wird in Auktionshäusern wie Sotheby’s und Christie’s teuer verkauft.“ Möbel seien im Gegensatz zu Kunst zumindest seit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts auf Masse ausgelegt, sie werden in Serie gefertigt. Ihr Entwurf solle möglichst vielen Menschen einen Nutzen verschaffen. Es sei unklar, welches Möbelstück aus dieser ersten Serie überhaupt das Original darstellt. Für Sammler und Design-Liebhaber ist deshalb auch das Produktionsjahr ein entscheidender Faktor.
„Das Original, wie es das ursprünglich gab, existiert heute nicht mehr“, merkt Markus an. „Design entsteht in Computern. Der erste Entwurf kann beliebig oft produziert werden, ohne dass sich das eine Produkt vom anderen unterscheidet." Heutzutage gehe es daher um Patente, Lizenzen und Markenschutzrechte. Nicht jeder kann so eine Produktionslizenz erwerben. Designer verkaufen ihre Entwürfe oder arbeiten auf Vertragsbasis mit einem Unternehmen.
Bei verstorbenen Designern regeln Stiftungen oder die Hinterbliebenen, wie mit den Entwürfen weiter verfahren wird und wer die Rechte zur Produktion erhält. „Beispielsweise hat das Unternehmen Rosendahl engen Kontakt zur Familie von Kay Bojesen. Seine Witwe hat zahlreiche Entwürfe aus den Jahren 1935 bis 1957 auf dem Dachboden gefunden und entschieden, sie an Rosendahl zur Produktion weiterzugeben“, weiß Markus. „Die Rosendahl Design Group stellt die Kollektion Kay Bojesen Denmark heute in enger Zusammenarbeit mit der Kay Bojesen Familie her, weshalb die Holzfiguren zum Teil sogar die Namen der Familienmitglieder tragen.“
Die Wagenfeld Leuchte wird von Tecnolumen noch heute nach den Originalentwürfen von Wilhelm Wagenfeld aus dem Jahr 1924 produziert. Jede einzelne Leuchte erhält eine unter der Fußplatte eingravierte Lizenznummer. Sie tragen das Bauhaus- und Tecnolumen-Zeichen.
Nicht alle Designobjekte gleichen sich noch heute mit dem Originalentwurf. Sie werden im Laufe der Jahre – teilweise in Zusammenarbeit mit dem Designer – optimiert. Ein gutes Beispiel für solche Re-Editionen sind die Eames Plastic Side Chairs von Ray & Charles Eames. Das Original wurde ursprünglich aus Fiberglass gefertigt. Heutige Kunststoffe gab es damals noch nicht in der Qualität. Ende der 1990er-Jahre fing der Hersteller an, Polyamid für die Sitzschale zu nutzen. Heute nutzt Vitra Polyprophylen.
Ein ähnliches Beispiel bietet der Panton Chair. Dieser konnte nach der ersten Serie nicht weiter produziert werden, weil der Kunststoff nicht wertig genug war. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurde der Designklassiker neu aufgelegt, denn Vitra hatte gemeinsam mit dem Designer Verner Panton an dem heutigen Nachbau gearbeitet.
Von Fälschung oder Plagiat ist die Rede, wenn patentierte Designobjekte billig nachgebaut werden, ohne dass der Hersteller eine Lizenz besitzt. Mit dem Marken- oder Designernamen wird geworben, Originalentwürfe und Materialrichtlinien werden jedoch nicht beachtet. „Qualitativ kommen diese nicht annähernd an das Original – oder eben lizenzierte Re-Editionen – heran“, beurteilt der Sortimentsleiter. „Viele Plagiate sind billig kopiert und absolut schlecht verarbeitet.“
Viele Shops lassen Designklassiker lizenzlos kopieren, greifen dabei auf minderwertige Materialien zurück und profitieren vom Unwissen der Kunden. Diese wundern sich, wenn das Möbelstück bereits nach ein oder zwei Jahren den Geist aufgibt. Wie erkennt man diese Shops? „Generell kommen diese Shops häufig aus England oder Italien, da dort andere Gebrauchsmusterschutzrechte gelten. Kunden sollten außerdem gerade bei Designklassikern mit sehr niedrigen Preisen skeptisch sein. Natürlich gibt es auch bei Originalen oder lizenzierten Nachbauten von Shop zu Shop Preisunterschiede. Diese bewegen sich jedoch zumeist bei weniger als 20 Prozent. Spätestens bei einem Preisvorteil von mehr als 50 Prozent ist Vorsicht geboten“, weiß Markus.
Und schließlich gibt es Produkte, die sich im Laufe der Jahre ihren Status als Designobjekt verdient haben, für die jedoch niemand jemals ein eindeutiges Patent beantragt hat. Ein bekanntes Beispiel ist der Frankfurter Stuhl, den Max Stoelcker in den 30er-Jahren für die Ausstellung der Frankfurter Küche entwarf. Daraufhin wurden 10.000 Wohnungen in Frankfurt mit dem Küchentyp inklusive Frankfurter Stuhl ausgestattet. Ein Patent gab es zwar, doch wurde das Modell 2200 von der damaligen Firma Bombenstabil so zahlreich und leicht verändert nachgebaut, dass niemand mehr weiß, von wem welches Original eigentlich stammt.
„Auch namhafte Stuhlhersteller begannen, im Detail veränderte Stühle herzustellen. So wurde der Frankfurter Stuhl in den 50er- und 60er-Jahren zum Standardstuhl in Behörden und Schulen“, so Markus. „Der Traditionshersteller Stoelcker – von dem wir den Frankfurter Stuhl beziehen – hat zwar den direktesten Bezug zur Geschichte des Stuhls, aber auch Stoelcker hat keinen rechtsgültigen Anspruch, seinen Stuhl als den ‚Frankfurter Stuhl' zu bezeichnen. Dies ist ein ungeschützter Begriff.“
Eine Folge des lizenzlosen Nachbaus sind oft unterschiedlichste Verarbeitungen und Qualitätsunterschiede. „Wenn es keinen Originalhersteller gibt, achten wir darauf, dass die Qualität stimmt. Connox ist an Möbeln für Generationen interessiert, nicht an der günstigen Variante“, erklärt Markus.
Auch der Designklassiker Butterfly Chair der Designer Bonet, Kurchan und Ferrari-Hardoy gehört zu diesen lizenzlosen Nachbauten. „Hersteller wie Cuero Design, Weinbaum und Manufakturplus produzieren den Klassiker möglichst nah an der Originalausführung. Hier unterscheiden sich die einzelnen Sessel nicht einmal groß in der Qualität“, vermutet Markus. Ein weiteres Beispiel ist der 1954 von Max Bill entworfene weltbekannte Ulmer Hocker. Er wird heute vom Unternehmen wb form produziert, ist aber in einer hochpreisigeren Variante als Sgabillo auch beim renommierten Unternehmen Zanotta erhältlich.
Lizenzierte Nachbauten und Re-Editionen – das sind die Designobjekte, die wir bei Connox verkaufen. Sie sind das, was dem Original am nächsten kommt – gefertigt auf Basis der Originalentwürfe und nach den Materialrichtlinien des Designers.
Nicht nur ein geübtes Auge kann Fälschung und Original bzw. lizenzierten Nachbau voneinander unterscheiden. In den folgenden Monaten werden wir dir das eine oder andere Möbelstück präsentieren und dir einen Einblick in Material- und Verarbeitungsunterschiede von verschiedenen Klassikern geben.
Beitrag vom 23.07.2015